Gießener Allgemeine, 15.10.2020 // von Thomas Brückner
Grünberg(tb), Jüngst erst lagen sich der NABU und die Stadt wegen Fällungen am Freibad in den Haaren. Jetzt ein neuer Zwist: Die Naturschützer, vertreten durch ihren Vorsitzenden und Grünen-Stadtrat Lothar Peter, möchten eine große Küstentanne im Brunnental vor der Motorsäge retten. Rund 50 Jahre alt, stelle die eine Besonderheit in dem Naherholungsgebiet dar, sei von der Wurzel bis zur Spitze gesund und solle als Sauerstoffproduzent und CO2-Speicher erhalten bleibe.
Stadt: Wurzeln behindern Drainage
Für den NABU nicht nachvollziehbar ist, dass der Baum nahe des 125 Jahre alten Maschinenhauses für eine Drainageleitung weichen muss. Die soll hinter der Mauer verlegt werden, welche die Naturbühne des Musikvereins begrenzt und unter der das Wasser durchsickert. Die Bautechniker, so der NABU, vermuteten, die Wurzeln der Tanne behinderten das Verlegen der Drainage. Sollte der Baum stehen bleiben, könnten nur zwei Drittel der Breite aufgebaggert werden. Hinter der Mauer jedoch befinde sich eine Quelle, deren Wasser dereinst in einem Becken gefasst und über ein Rohr durch die Mauer abgeleitet worden sei.
Peter: „Nachdem das Becken zugeschüttet wurde, könnte das Rohr verstopft worden sein und sich das Wasser den Weg nach unten durch die Mauer gesucht haben.“ Dies sollte zunächst geprüft werden, mit dem Ziel, die ursprüngliche Funktion wiederherzustellen. „Dann wäre eine neue Drainage überflüssig, wären Kosten eingespart – und die Tanne gerettet.“
In der jüngsten Bauausschusssitzung brachte der Stadtrat das Thema unter Anfragen zur Sprache. Verwaltungschef Frank Ide (FW) verwies „ad 1“ auf die Rechtslage, wonach der Bürgermeister Sprecher des Magistrats ist – Stadträte nur bei dessen Placet Rederecht erhalten. Doch ließ Ide die Rechtslage beiseite und widersprach zunächst der Behauptung des Grünen-Politikers, Fällungen seien erst ab Oktober erlaubt. Erforderliche Ausnahmegenehmigung habe man – wiewohl es dafür noch eines Ortstermins mit der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) bedurft hätte – erhalten, zeigte sich der Rathauschef auf GAZ-Nachfrage sicher. Habe doch die UNB keinen Hinderungsgrund gesehen, da der Baum nicht standortgerecht sei, es sich hier weder um ein Naturschutzgebiet noch einen Park handele. Dass es darum gehe, über die gesamte Breite zu drainieren, das Freimachen eines Abflusses wenig Sinn ergebe, merkte Ide an. Auch hätten die Baumwurzeln bereits die Mauer beschädigt.
Kein Einwand von UNB und Förster
Weiter: Vom Revierförster seien keine Einwände gekommen („keine Brut“). Dafür habe dieser darauf aufmerksam gemacht, dass die Tanne ob der oberflächennahen Feuchtigkeit weiter wachse, dabei in die Breite wurzele – bei einem Sturm könnte sie dann womöglich in der Mitte abbrechen und aufs Maschinenhaus stürzen.Ohne die Intervention des NABU bei der UNB, so machte der Bürgermeister klar, stünde der Baum nicht mehr. Jetzt warte man halt bis Oktober. Dass die Sache die Stadt teurer komme, merkte er abschließend an: Ob der Verzögerung werde die Sanierung der Mauer unterbrochen, könne auch die gerade in der Kernstadt tätige Firma die Fällung nicht miterledigen, was zusätzliche Anfahrtskosten bedeute.
„Kampf um die Küstentanne“ erfolgreich
Grünbergs Magistrat nimmt nach Protesten Entscheidung zur Fällung zurück
Gießener Allgemeine, 16.10.2020 // von Thomas Brückner
Grünberg (tb). Die Kettensäge kommt nun doch nicht zum Einsatz: Im Ergebnis einer erneuten Beratung hat sich Grünbergs Magistrat mit knapper Mehrheit gegen die Fällung der imposanten Küstentanne am alten Wasserwerk im Brunnental entschieden. Naturschutzbund und Grüne, die die Pläne kritisiert hatten (die GAZ berichtete), dürften zufrieden sein.
Zwei Aspekte bestimmten den Worten von Bürgermeister Frank Ide zufolge die Beratungen im Magistrat.
Zum ersten die Frage, wie man der Durchfeuchtung der Fläche unterm Baum bzw. an der Freiluftbühne Herr werden könne (oberhalb davon gibt es zwei Quellen, die Red.). Dass die Wurzeln das Verlegen einer neuen Drainageleitung verhinderten, hatte Ide als einen Grund für die Fällung angeführt. Dass die alten Ableitungsrohre womöglich nur verstopft seien, hatten die Kritiker dagegengehalten.
Diesen erteilte der Bürgermeister schließlich die „Erlaubnis zum Graben“, und Mitglieder des Nabu griffen tatsächlich zum Spaten. Um doch an ihre Grenzen zu stoßen. Ide: „Ein Rohr liegt zu tief, da ist mit Handarbeit nichts mehr zu machen.“
Auftrag an Baufirma
Wie von der städtischen Exekutive nun beschlossen, sollen daher bei einer Baufirma Angebote für das Freilegen und eventuelle Reparieren der alten Drainageleitung eingeholt werden. Zudem soll der Zufluss zum Becken wiederhergestellt werden, das sich unterhalb der Mauer befindet, die die Freilichtbühne abstützt.
Zweiter Aspekt betraf den Zustand besagter Mauer, die bereits einen Riss aufweist. „Die bleibt nun, wie sie ist“, fasste Ide das Ergebnis zusammen. Ohne Fällung der Tanne ist für ihn „das Problem in die Zukunft verlagert worden“. Da der Baum bei Wiederherstellung der Drainage aber künftig weniger Wasser bekomme, wachse er vielleicht auch nicht mehr so schnell, richte somit weniger Schaden an.
Rückblick: Im September publik geworden, stieß geplante Fällung des Baums auf ein geteiltes Echo. Der Magistrat war zunächst Ides Argumenten gefolgt. Wozu auch zählte, dass der Baum irgendwann einmal bei einem Sturm auf das Wasserwerk (Maschinenhaus) stürzen könnte.
Ganz anders sahen das der Ortsverband Grünberg des Naturschutzbundes und die Grünen. Kritik an der Fällung der rund 50 Jahre alten Tanne ward auch in den Leserbriefspalten laut.
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